Verordnungsprüfung (§ 89)
Das Aufsichtsrecht über die Gemeinden umfasst auch die im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Verordnungen. Verordnungen, die im übertragenen Wirkungsbereich erlassen worden sind, sind hingegen vom Aufsichtsrecht nicht erfasst.

Gegenstand des Verordnungsprüfungsverfahrens sind die Durchführungsverordnungen, die ortspolizeilichen Verordnungen sowie die selbständigen Verordnungen auf Grund des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, nicht aber die sog. „Verwaltungsverordnungen“. Unter die Verwaltungsverordnungen fallen z.B. die Voranschläge sowie jene im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung gelegenen Anordnungen, die die Benützung von gemeindeeigenen Anlagen regeln, wie z.B. die Benützungsordnung eines Schwimmbades.“

Um das Aufsichtsrecht wahrnehmen zu können, sind die Gemeinden verpflichtet, die von ihr erlassenen Verordnungen der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen.


Unverzügliche Mitteilung der erlassenen Verordnungen
Im Hinblick darauf, dass Verordnungen mit ihrer Kundmachung als erlassen gelten, sind diese - um dem Gebot der unverzüglichen Mitteilung entsprechen zu können - unmittelbar nach dieser Kundmachung der Aufsichtsbehörde mitzuteilen.

Die Mitteilungspflicht beschränkt sich nicht auf den Verordnungstext, sondern hat auch alle jene Unterlagen zu umfassen, die zur umfänglichen Prüfung auf ihre Rechtmäßigkeit notwendig sind. (Vgl. hiezu die Planzeichenverordnung für Digitale Flächenwidmungspläne 2008, wonach bei einer Änderung des Flächenwidmungsplanes die einzelnen Änderungsfälle in den Erläuterungen zu dokumentieren und zu begründen sind, wobei den Erläuterungen auch eine grafische Darstellung der jeweiligen Änderungen anzuschließen ist.) Daher ist auch zur Verordnungsprüfung ein Datenträger mit dem gesamten Digitalen Flächenwidmungsplan der Gemeinde der Landesregierung vorzulegen.

Zur Mitteilung der Verordnung an die Aufsichtsbehörde ist der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde verpflichtet. Hiebei ist der volle Wortlaut der kundgemachten Verordnung anzuführen und der Nachweis für die gesetzmäßige Beschlußfassung des Gemeinderates (beglaubigte Abschrift der Einladungskurrende und ein beglaubigter Auszug aus der Verhandlungsschrift) sowie der Nachweis der ordnungsgemäß erfolgten Kundmachung vorzulegen.
Die Unterlassung der Mitteilung ist zwar in der Gemeindeordnung nicht sanktioniert, ist aber als Verletzung der Amtspflichten anzusehen.


Zuständige Aufsichtsbehörde
Die Zuständigkeit zur Prüfung der Verordnung richtet sich danach, in welcher Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches die Verordnung erlassen worden ist:

  • ist die Verordnung in einer aus dem Vollziehungsbereich des Landes stammenden Angelegenheit erlassen worden, dann ist die Landesregierung zuständig;
  • ist die Verordnung in einer aus dem Vollziehungsbereich des Bundes stammenden Angelegenheit erlassen worden, dann ist der Landeshauptmann zuständig.

Sind in einer Verordnung Angelegenheiten aus beiden Vollziehungsbereichen geregelt, dann ist die Verordnung beiden zuständigen Aufsichtsbehörden mitzuteilen.


Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen
Die Aufsichtsbehörde hat Verordnungen, die gesetzwidrig sind, durch Verordnung aufzuheben.

Diese Verpflichtung ist im Zusammenhang mit der Art der Verwaltungsführung durch die Gemeinde zu sehen: die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze „und Verordnungen“ des Bundes und des Landes zu besorgen. Zugleich ergibt sich aus dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip der gesamten Verwaltung (staatliche Verwaltung und Selbstverwaltung der Gemeinde), dass auch der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (im materiellen Sinne) unterworfen ist und es ausgeschlossen ist, dass die staatliche Verwaltung (Bundes- und Landesbehörden) an Gesetze und Verordnungen gebunden ist, nicht aber die Gemeinde.

Für die Prüfung der Verordnung ist - im Hinblick auf die die Rechtsstaatlichkeit der Gemeindeverwaltung stets zu wahrende Aufsichtspflicht - jene Rechtslage maßgebend, die zum Zeitpunkt der Prüfung besteht.


Frist für die Verordnungsprüfung
Eine Frist für die Durchführung der Prüfung ist gesetzlich nicht festgelegt, doch wird hiefür im Hinblick auf die Rechtssicherheit eine Zeitspanne angemessen sein, die jener für die Entscheidungspflicht einer Behörde nach den Bestimmungen des AVG (sechs Monate) entspricht.

Im Falle der Gesetzwidrigkeit der Verordnung hat die Aufsichtsbehörde die Verpflichtung, diese aufzuheben. Ergibt die Prüfung keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung, so besteht zwar keine Verpflichtung der Aufsichtsbehörde, dieses Ergebnis der Gemeinde mitzuteilen, doch wird auch in diesem Falle im Interesse der Rechtssicherheit eine Verständigung der Gemeinde geboten sein. Eine solche Mitteilung wird als der Abschluss des Verordnungsprüfungsverfahrens anzusehen sein, wenngleich es der Aufsichtsbehörde nicht verwehrt ist, dieselbe Verordnung aus Anlass einer anderen aufsichtsbehördlichen Tätigkeit zu überprüfen, insbesondere dann, wenn sie durch eine Änderung der Rechts- oder Sachlage gesetzwidrig geworden ist.


Pflicht der Aufsichtsbehörde zur Mitteilung der Aufhebungsgründe
Die Aufsichtsbehörde hat im Falle der Aufhebung der Verordnung die Gründe hiefür der Gemeinde spätestens mit der Kundmachung der die Aufhebung verfügenden Verordnung im Landesgesetzblatt mitzuteilen.
Dies hat den Zweck, der Gemeinde eine gesicherte Kenntnis all jener Gründe zu vermitteln, die nach dem letzten Stand der Überlegungen der Aufsichtsbehörde (und nicht etwa an Hand von unterschiedlichen Bedenken, die im Zuge des Anhörungsverfahrens von der Aufsichtsbehörde geäußert wurden) zur Aufhebung der Verordnung führten. Nur eine solche formelle, unauswechselbare, bindende Verordnungsbegründung ist geeignet, das vom Gesetzgeber offenbar angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich die Gemeinde in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls eine der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprechende Ersatzregelung zu treffen oder aber den vorgesehenen Rechtsschutz beim Verfassungsgerichtshof zu suchen. Insofern hat die Verordnungsbegründung im gegebenen Zusammenhang eine ähnliche Bedeutung wie die Begründung eines aufhebenden Vorstellungsbescheides. Der Mitteilung der die Aufhebung der Verordnung maßgebenden Gründe kommt also insoferne eine besondere Bedeutung zu, weil das Fehlen einer den formellen Anforderungen genügenden Begründung das Fehlen einer der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsverordnung bedeutet und damit eine mit einem solchen Mangel behaftete Verordnung im Falle der Anfechtung vom Verfassungsgerichtshof aus der Rechtsordnung beseitigt werden kann.

Daher belastet die Mißachtung der Anordnung, die Gründe für die Aufhebung der Gemeindeverordnung der Gemeinde mitzuteilen, die Aufhebungsverordnung mit Gesetzwidrigkeit.


Stellungnahme der Gemeinde
Die Aufsichtsbehörde hat - bevor sie ihre Verordnung erlässt, mit der die Gemeindeverordnung aufgehoben werden soll - der Gemeinde Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

Für die Äußerung der Gemeinde ist keine Frist vorgesehen.

Handelt es sich jedoch um eine Gemeindeverordnung in einer aus dem Vollziehungsbereich des Bundes stammenden Angelegenheit (für deren Prüfung der Landeshauptmann zuständig ist), dann ist für die Äußerung eine Frist von höchstens vier Wochen einzuräumen.


Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt
Die Aufhebung der als gesetzwidrig erkannten Verordnung hat ebenfalls in der Rechtsform der Verordnung zu erfolgen; diese ist im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Der Zeitpunkt des Außer Kraft Tretens der aufgehobenen Gemeindeverordnung wird durch den Zeitpunkt der Verlautbarung der aufhebenden Verordnung der Aufsichtsbehörde im Landesgesetzblatt bestimmt: demnach beginnt die verbindliche Kraft von Verordnungen der Landesregierung nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Landesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird. Daher gilt mit diesem Tage die als gesetzwidrig erkannte Gemeindeverordnung als aufgehoben.

Die im Landesgesetzblatt kundgemachte Verordnung der Aufsichtsbehörde kann von der Gemeinde vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten werden.


Kundmachung durch die Gemeinde
Die Aufhebungsverordnung ist auch von der Gemeinde kundzumachen, und zwar unverzüglich nach der Verlautbarung der Aufhebungsverordnung im Landesgesetzblatt und in gleicher Weise wie die aufgehobene Verordnung. Die Mißachtung dieser Verpflichtung der Gemeinde hat zwar keinen Einfluß auf die Wirksamkeit der Aufhebungsverordnung, stellt aber eine Pflichtverletzung des Bürgermeisters dar.


Aufhebung der beanstandeten Verordnung durch die Gemeinde
Wenn die Gemeinde in Berücksichtigung der Erwägungen der Aufsichtsbehörde die Verordnung selbst aufhebt, dann ist die aufhebende Verordnung ebenfalls der Aufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Eine Aufhebung der geprüften Verordnung durch die Gemeinde ist jederzeit möglich, nicht mehr aber nach Wirksamkeit der Verlautbarung der aufhebenden Verordnung der Aufsichtsbehörde im Landesgesetzblatt.