Verordnungen der Gemeinde (§ 82)
Unter einer Verordnung versteht man eine von Verwaltungsbehörden erlassene generelle Rechtsnorm. Das bedeutet im einzelnen, dass sich der Akt an eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen richten und für diese unmittelbar rechtsverbindlich sein muss. Ob die Adressaten als solche ausdrücklich genannt sind oder bloss aus dem Wortlaut des Aktes erschlossen werden können, ist für die Verordnungseigenschaft gleichgültig. Ebenso ist die äußere Bezeichnung gleichgültig, wenn der Wortlaut für die Ermittlung der Adressaten hinreichende Anhaltspunkte bietet.
Die Gemeinde (der Gemeinderat) kann folgende generelle Rechtsakte setzen:
- Durchführungsverordnungen: jede Verwaltungsbehörde darf auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. Durchführungsverordnungen dürfen bestehende gesetzliche Regelungen nur präzisieren.
- Selbständige Verordnungen: diese können nur in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches erlassen werden. Im Hinblick darauf, dass die Bundes- und Landesgesetze Vollziehungsangelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnen müssen, können nur in jenen Angelegenheiten selbständige Verordnungen erlassen werden, in denen der eigene Wirkungsbereich der Gemeinden vom jeweiligen Gesetzgeber ausdrücklich bezeichnet worden ist.
Selbständige Verordnungen sind die ortspolizeilichen Verordnungen und die Verordnungen auf Grund des freien Beschlussrechtes der Gemeinden in Abgabensachen.
Die Verordnungen der Gemeinden unterliegen der Rechtskontrolle durch die Aufsichtsbehörde (§ 89).
Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen
Die Erlassung von Verordnungen fällt im allgemeinen in die Kompetenz des Gemeinderats. Verordnungen in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereiches sind vom Bürgermeister zu erlassen.
Kundmachung der Verordnungen
Verordnungen der Gemeinde bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der öffentlichen Kundmachung.
Die Kundmachung ist vom Bürgermeister innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlussfassung durch Anschlag an der Amtstafel durchzuführen.
Verordnungen richten sich an die Rechtsunterworfenen; sie bedürfen daher, um sie dem Bürger zur Kenntnis zu bringen, der öffentlichen Kundmachung. Ohne öffentliche Kundmachung liegt keine für den Bürger rechtswirksame Verordnung vor.
Eine Verordnung, die nicht kundgemacht worden ist, ist zwar gesetzwidrig, gleichwohl aber für die Verwaltungsbehörden verbindlich und daher anzuwenden. Der "Rechts"unterworfene kann allerdings einen auf der Grundlage einer solchen gesetzwidrigen Verordnung erlassenen Bescheid erfolgreich bekämpfen. Die gesetzwidrige Verordnung kann von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden.
Wird in der Kundmachung ein anderer Wortlaut, als jener, der von der Behörde beschlossen worden ist, verlautbart, dann gilt die Verordnung als nicht erlassen und ist nichtig.
Es ist daher für den öffentlichen Anschlag einer Kundmachung, in der darauf hingewiesen wird, dass eine Verordnung beschlossen worden sei und dass sie während einer bestimmten Frist während der Amtsstunden im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht aufliege, die also den Text der kundzumachenden Verordnung gar nicht beinhaltet, dem Erfordernis der Kundmachung nicht entsprochen .
Auch die Kundmachung einer Niederschrift über eine Sitzung des Gemeinderates, aus der hervorgeht, welchen Beschluss der Gemeinderat gefasst hat, trägt dem Erfordernis einer Kundmachung nicht Rechnung.
Die Verordnung ist grundsätzlich in ihrem gesamten Wortlaut und unter Anführung des Organes, das die Verordnung erlassen hat, kundzumachen. Die Fertigungsklausel hat beispielsweise zu lauten "Für den Gemeinderat".
Die Gesetzmäßigkeit der Verordnung hängt nämlich auch von der Zuständigkeit des Verordnungsgebers ab; diesbezüglich muss die Verordnung der Kontrolle der Normunterworfenen zugänglich sein. Diesem Erfordernis muss bei der Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel dadurch Rechnung getragen werden, dass der Verordnungsgeber ausdrücklich genannt wird.
Obgleich die Kundmachung der Verordnung innerhalb von zwei Wochen nach Beschlußfassung bzw. bei Verordnungen, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen, unverzüglich nach erfolgter Genehmigung zu erfolgen hat, ist die Gesetzmäßigkeit der Verordnung nicht von der Einhaltung dieser Frist abhängig; sie ist lediglich eine an den Bürgermeister gerichtete Ordnungsvorschrift. Vor der Kundmachung der Verordnung kann diese jedenfalls keine Rechtswirkungen entfalten.
Verordnungen mit aufsichtsbehördlicher Genehmigung
Verordnungen, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen, sind vom Bürgermeister unverzüglich nach erfolgter Genehmigung durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Hiebei ist auf die erfolgte aufsichtsbehördliche Genehmigung (unter Bezeichnung der Genehmigungsbehörde) hinzuweisen.
Desgleichen muss in den Fällen, in denen Mitwirkungsrechte anderer Organe vorgesehen sind (z.B. Herstellung des Einvernehmens oder die Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung), dies ausdrücklich angegeben werden.
Eine Verordnung des Gemeinderates, die vor Genehmigung der Aufsichtsbehörde durch Anschlag an der Amtstafel kundgemacht worden ist, ist dennoch (wenngleich rechtswidrigerweise) Teil der Rechtsordnung geworden; dieser Kundmachungsmangel wird durch eine zweite gesetzmäßige Kundmachung geheilt, und zwar auch ohne neuerlichen Beschluss der verordnungserlassenden Behörde.
Andere ortsübliche Kundmachungen
Neben der Kundmachung durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel und ohne Einfluss auf die Rechtswirksamkeit sind Verordnungen der Gemeinde vom Bürgermeister auch auf andere Art ortsüblich bekanntzumachen, wenn dies notwendig oder zweckmäßig ist.
Die ortsübliche Bekanntmachung der Verordnung ist eine Publikationsform, die auf die althergebrachte Übung abstellt. Sie ist für sich allein nicht geeignet, die Rechtswirksamkeit einer Verordnung herbeizuführen.
Das für die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung massgebende Erfordernis ausreichender bzw. ortsüblicher Kundmachung wird durch die Veröffentlichung einer Rechtsverordnung im Internet nicht erfüllt.
Beginn der Rechtswirksamkeit von Verordnungen
Die Rechtswirksamkeit von Verordnungen beginnt, wenn nicht gesetzlich ausdrücklich anderes bestimmt ist, frühestens mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag; bei Gefahr im Verzug kann, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, in der Verordnung angeordnet werden, dass ihre Rechtswirksamkeit bereits vor diesem Tag beginnt, frühestens jedoch mit Ablauf des Kundmachungstags .
Eine spätere Rechtswirksamkeit von Verordnungen kann in folgendem Fall eintreten:
Grundsätzlich kann jeder Beschluß des Gemeinderates (abgesehen von Wahlen der Gemeindeorgane, konkreten Personalfragen, Gemeindeabgaben, Tarife und Angelegenheiten, die Bescheide erfordern) einer Volksabstimmung unterzogen werden. Daher sind solche Beschlüsse unverzüglich nach Beschlußfassung durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Solche Beschlüsse erlangen, falls nicht ein Antrag auf Durchführung einer Volksabstimmung eingebracht wird, spätestens nach Ablauf einer Woche nach Kundmachung Geltung.
Daraus folgt, dass ein Beschluß des Gemeinderats, mit dem eine Verordnung erlassen wird, erst nach Ablauf dieser Frist Geltung erlangt und die zur Wirksamkeit der Verordnung erforderliche zweiwöchige Kundmachungsfrist erst nach Ablauf der einwöchigen Frist (nach § 50 Abs. 3 des Gemeindevolksrechtegesetzes) zu laufen beginnt.
Die Rechtswirksamkeit von Verordnungen kann demnach mit folgenden Zeitpunkten eintreten:
- grundsätzlich mit dem Tag, der dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgt, oder
- mit dem Tag, der dem Ablauf des Kundmachungstages folgt - bei Gefahr im Verzug, oder
- mit dem Tag, der in der Verordnung bestimmt ist (z.B. mit dem auf die Kundmachung folgenden Monatsersten), nicht jedoch vor Ablauf der Kundmachungsfrist, oder
- mit einem Tag, der gesetzlich besonders bestimmt wird.
Eine rückwirkende Inkraftsetzung von Verordnungen ist nur dann zulässig, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Strafbestimmungen (ortspolizeiliche Verordnungen) können jedoch keinesfalls rückwirkend in Kraft gesetzt werden.
Verordnungen ohne Kundmachung
Verordnungen, deren Umfang oder Art den Anschlag an der Amtstafel nicht zulassen, können im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufgelegt werden. Die Auflegung ist jedenfalls kundzumachen.
Solche Verordnungen sind beispielsweise der Flächenwidmungsplan oder der Bebauungsplan.
Erlässe
Nicht als Verordnung sind jene Normen zu verstehen, die verwaltungsintern erlassen werden und sich an einen generellen Adressatenkreis richten; diese werden als "Erlässe" oder fälschlich als "Verwaltungsverordnungen" bezeichnet, sind aber ihrer Rechtsnatur nach Weisungen.
Solche Normen sind daher nicht kundzumachen. Zu solchen Normen gehört beispielsweise der Voranschlag.
Hingegen ist eine verbindliche Äußerung der Behörde, auch wenn sie formell nur an die unterstellten Behörden adressiert ist, als Rechtsverordnung anzusehen, wenn sie der Sache nach die Rechtssphäre eines unbestimmten Kreises von Betroffenen gestaltet.
Für die Qualifikation als Verordnung kommt es auch nicht auf die Bezeichnung einer behördlichen Aussendung, sondern deren Inhalt an. Eine rechtsgestaltende Außenwirkung ist gegeben, wenn sein Inhalt anordnenden Charakter hat und ein solches Maß an Publizität hinzutritt, dass der betreffende Akt Eingang in die Rechtsordnung gefunden hat
Auflegung - Kundmachung (Unterschiede)
Es ist zu unterscheiden zwischen der Auflegung der Verordnung (innerhalb der Kundmachungsfrist von zwei Wochen) und der Kundmachung dieser Auflegung.
Die Auflegung der Verordnung allein ersetzt nicht die Kundmachung über die Auflegung. Es ist vielmehr erforderlich, dass
- während zweier Wochen eine Kundmachung an der Amtstafel angeschlagen wird, die den Hinweis auf die Auflage der Verordnung und deren Zeitdauer enthält, und
- die Zeitdauer der Auflage mit dem in der Kundmachung enthaltenen Hinweis übereinstimmt und
- die Auflage tatsächlich mit dem in der Kundmachung enthaltenen Hinweis auf die Zeitdauer der Auflage übereinstimmt.
Einsichtnahme in geltende Verordnungen
Geltende Verordnungen sind im Gemeindeamt während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsichtnahme aufzulegen.
Zur Einsichtnahme ist jedermann berechtigt, unabhängig davon, ob er Gemeindebürger ist oder nicht; dies deswegen, damit sich jeder Bürger über die für das betreffende Ortsgebiet maßgebenden Vorschriften - denen er in der betreffenden Gemeinde unterworfen ist - informieren kann.
Die Amtsstunden (Dienststunden) sind im Internet und durch Anschlag an der Amtstafel bekannt zu machen. Von den Amtsstunden sind die für den Parteienverkehr bestimmten Zeiten, die in ebensolcher Weise bekannt zu machen sind, zu unterscheiden.
?Eine Verordnung gilt als „erlassen“, wenn sie - allenfalls unverzüglich nach Genehmigung der Aufsichtsbehörde - ordnungsgemäß kundgemacht worden ist (s. hiezu RZ 1247), also insbesondere nach Ablauf der Kundmachungsfrist von zwei Wochen. Die Ordnungsfrist, innerhalb der der Bürgermeister die Verordnung dem Gemeinderat bekannt zu geben hat, beginnt erst mit diesem Zeitpunkt zu laufen. Dies gilt in gleichem Maße bei einer Änderung der Verordnung.
|