Der Instanzenzug (§ 83)
Der Instanzenzug gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs geht, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, an den Gemeinderat, gegen dessen Entscheidung eine weitere Berufung nicht zulässig ist.
Unter Instanzenzug versteht man den Rechtsweg, der für die Anfechtung einer behördlichen Entscheidung mit der Wirkung offen steht, dass diese nicht rechtskräftig und vollstreckbar wird.
In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ist dieser Rechtsweg beschränkt, denn die Bundesverfassung gewährleistet der Gemeinde, dass sie die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches „in eigener Verantwortung frei von Weisungen und . . . . unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde besorgen“ kann.
Daher ist eine Berufung an eine staatliche Behörde („Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde“) unzulässig, weil die Berufung ein Rechtsmittel ist, das die angerufene Behörde ermächtigt, in der Sache selbst zu entscheiden, also sich in gleicher Weise (wie die Behörde, deren Entscheidung angefochten worden ist) mit der Sache zu befassen, indem sie den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und selbst zu beurteilen sowie auch ein allenfalls bestehendes Ermessen auszuüben hat, somit also den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abändern kann.
Die Anfechtung der Entscheidung des Gemeinderates, als des obersten Organs der Gemeinde, berührt aber bereits das „Aufsichtsrecht“, das von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben ist. Als ein solches „Aufsichtsmittel“ ist die Vorstellung anzusehen, die die Aufsichtsbehörde nur ermächtigt, die angefochtene Entscheidung der Gemeinde insoweit aufzuheben, als eine Rechtsverletzung vorliegt.
Der Instanzenzug in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches endet immer beim Gemeinderat; dies gilt auch für jene Fälle, in denen der Gemeinderat in erster und gleichzeitig letzter Instanz entscheidet (z.B. in dienstrechtlichen Angelegenheiten gemäß dem Gemeindebedienstetengesetz).
Erfordernisse eines Bescheides (Beschlusses)
Ein Beschluß des Gemeinderates, mit dem über eine Berufung entschieden wird, hat - als Grundlage für den später auszufertigenden Bescheid - die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen, die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge sowie die Kostenfrage zu erledigen
Diese Erledigung ist zu begründen, indem die maßgebenden rechtlichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung dargestellt werden. Der entsprechende Beschluss ist auch dann zu begründen, wenn dem Berufungsantrag stattgegeben wird.
Diese für die Erlassung des Bescheides maßgeblichen Grundlagen müssen auch in der Verhandlungsschrift ihren Niederschlag finden.
Als verfahrensrechtliche Bestimmungen sind das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), die Bundesabgabenordnung (BAO) und die Dienstrechtsverfahrensgesetze anzuwenden.
Mit der Entscheidung des Gemeinderates über eine Berufung ist das formelle Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen; es bedarf noch der Mitteilung dieses Beschlusses an die Partei in Form eines Bescheides. Bis zur Erlassung des Bescheides (d.i. die Zustellung, Ausfolgung oder dessen Verkündung) kann der Gemeinderat seine Entscheidung überprüfen und gegebenenfalls einen anders lautenden Beschluß fassen.
Fertigungsklausel des Bescheides
Das den Bescheid erlassende Organ ist der Gemeinderat. Die Fertigungsklausel hat daher zu lauten: "Für den Gemeinderat:".
Hat der Bürgermeister den in Berufung gezogenen Bescheid erlassen, dann ist er befangen (§ 49 Abs. 1 Z 4); diesfalls hat der Vizebürgermeister den Vorsitz zu führen und den Bescheid zu unterfertigen. Der Bürgermeister ist bei der Beratung und Beschlußfassung über diese Angelegenheit ausgeschlossen.
Hat sich jedoch der Bürgermeister bei der Durchführung des Verfahrens und der Erlassung des Bescheides vertreten lassen, dann liegt keine Mitwirkung an der Erlassung des Bescheides vor; diesfalls kann der Bürgermeister am Berufungsverfahren teilnehmen.
Rechtsmittelbelehrung im Gemeinderatsbescheid
Es ist gegen einen jeden Bescheid eines Gemeindeorganes (in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches, die aus dem Vollziehungsbereich des Landes stammt) - soferne der Instanzenzug erschöpft ist - eine Vorstellung zulässig. Ein solcher Bescheid hat demnach eine Belehrung darüber zu enthalten, innerhalb welcher Frist und in welcher Form eine Vorstellung erhoben werden kann und welche Rechtswirkungen sie entfaltet. S. diesbezüglich >>>
Die Berufung
Das Rechtsmittel gegen Bescheide des Bürgermeisters ist die Berufung. Die Berufung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Die Berufungsfrist beträgt zwei Wochen; die Berufung ist - gleichgültig, ob sie an den Bürgermeister oder an den Gemeinderat gerichtet ist - beim Gemeindeamt einzubringen (im Verwaltungsstrafverfahren ist die Einbringung der Berufung auch direkt beim Unabhängigebn Verwaltungssenat - UVS - möglich).
Die zweiwöchige Frist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides an die Partei (bzw. im Falle bloß mündlicher Verkündung des Bescheides mit dieser) zu laufen.
Gegen Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz ist ebenfalls das Rechtsmittel der Berufung gegeben; die Berufungsfrist beträgt jedoch ein Monat.
Oberbehördliche Befugnisse
Der Gemeinderat übt auch die in den verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus.
Oberbehörde in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches gegenüber dem Bürgermeister ist ausschließlich der Gemeinderat. Ihm kommen folgende oberbehördliche Befugnisse zu:
- der Gemeinderat kann rechtskräftige Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, aufheben oder abändern,
- der Gemeinderat kann andere Bescheide (als den oben genannten) insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist,
- der Gemeinderat kann außerdem (von Amts wegen) Bescheide für nichtig erklären, wenn der Bescheid
- einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
- tatsächlich undurchführbar ist oder
- an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohtem Fehler leidet (dies ist z.B. der Fall, wenn Baubewilligungen ohne schriftlichen Bescheid erteilt werden).
Säumnis bei Erlassung eines Bescheides
Der Gemeinderat ist auch bei Säumnis des Bürgermeisters in folgender Hinsicht zuständig:
Der Bürgermeister hat über Anträge von Parteien (z.B. auf Erteilung einer Baubewilligung) grundsätzlich ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden d.h. das Ermittlungsverfahren (mündliche Verhandlung) durchzuführen und den Bescheid zu erlassen.
Als äußerste Frist für diese Entscheidung sieht das AVG sechs Monate vor; diese Frist gilt jedoch nur dann, wenn in den die verschiedenen Gebiete der Verwaltung regelnden Gesetzen nicht kürzere Fristen festgesetzt sind - dies ist hinsichtlich der Erledigung von Anträgen auf Bauplatzerklärung und Baubewilligungen der Fall: hier muss der Bürgermeister spätestens innerhalb von drei Monaten entscheiden; über einen Antrag auf Benützungsbewilligung ist innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden.
Entscheidet der Bürgermeister nicht innerhalb dieser Frist, dann geht - über Antrag der Partei - die Zuständigkeit zur Entscheidung an den Gemeinderat über. Auch der Gemeinderat ist an die genannten (gegebenenfalls auch kürzeren) Fristen gebunden.
Versäumt es der Gemeinderat, eine Entscheidung innerhalb dieser Frist zu fällen, dann kann gegen ihn eine Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Der Instanzenzug im übertragenen Wirkungsbereich
Der Instanzenzug gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs des Landes geht, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, an die Bezirkshauptmannschaft und in weiterer Folge an die Landesregierung.
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