Befangenheitsgründe (§ 49)
Die folgenden Befangenheitsgründe sind absoluter Natur, dh. bei deren Vorliegen haben sich der Bürgermeister und die weiteren Mitglieder des Gemeinderates sowohl von der Beratung als auch von der Beschlussfassung über einen Verhandlungsgegenstand selbsttätig zu enthalten: >>> GRAPHIK:

1. in Sachen, an denen
    a) sie selbst oder der Ehegatte,
    b) die Verwandten in gerader Linie und die Verwandten zweiten, dritten und         vierten  Grades in der Seitenlinie,
    c) die Verschwägerten in gerader Linie und die Verschwägerten zweiten         Grades in der Seitenlinie,
    d) die Wahleltern und Wahlkinder und die Pflegeeltern und Pflegekinder,
    e) Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, sowie Kinder und        Enkel einer dieser Personen im Verhältnis zur anderen Person sowie
    f ) der eingetragene Partner
    beteiligt sind;

2. in Sachen ihrer Wahl- oder Pflegeeltern Wahl- oder Pflegekinder, ihres     Mündels oder Pflegebefohlenen;
3. in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder     noch bestellt sind;
4. im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen     Bescheids in unterer Instanz mitgewirkt haben;
5. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle     Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.


"Mitwirkung an der Erlassung eines Bescheides" bedeutet eine unmittelbare Teilnahme an der Erzeugung dieses Aktes; d.h. wenn das betreffende Organ an der Ermittlung des Sachverhaltes und der Ausarbeitung des Bescheides unmittelbar mitgewirkt oder den Bescheid unterschrieben hat. Wurde auf die Bescheiderlassung durch ein Organ der Berufungsbehörde im Wege der Weisung eingewirkt, dann liegt dennoch keine Befangenheit vor. Erteilt z.B. der Gemeinderat eine Weisung an den Bürgermeister, eine Angelegenheit in einem bestimmten Sinne zu erledigen, dann kann keine Befangenheit der Mitglieder des Gemeinderates bei der Entscheidung über eine Berufung gegeben sein.
Befangenheit liegt vor, wenn der Bürgermeister im Rahmen des Berufungsverfahrens über einen Bescheid, den er selbst erlassen hat, mitwirkt. Allerdings ist der Bescheid deswegen nicht schon nichtig. Die Mitwirkung des befangenen Organes würde aber einen wesentlichen Verfahrensmangel begründen, wenn der Gemeinderat bei Abwesenheit des befangenen Organs nicht beschlussfähig gewesen wäre und wenn ohne seine Stimme die für die Beschlussfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht zustande gekommen wäre.
Die trotz Befangenheit erfolgte Teilnahme am Berufungsverfahren ist zwar rechtsgültig, begründet aber eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die im Verwaltungsverfahren vor der Aufsichtsbehörde und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bedeutsam sein kann.


Verwandtschaft ist allgemein das Verhältnis zwischen den Stammeltern und allen ihren Nachkommen sowie das Verhältnis dieser Nachkommen zueinander. Die Grade der Verwandtschaft zwischen zwei Personen sind nach der Zahl der Zeugungen, mittels welcher in der geraden Linie eine derselben von der andern, und in der Seitenlinie beide von ihrem nächsten gemeinschaftlichen Stamme abhängen, zu bestimmen. In welcher Linie und in welchem Grade jemand mit dem einen Ehegatten verwandt ist, in eben der Linie und in eben dem Grade ist er mit dem andern Ehegatten verschwägert.
Personen, die nur die gemeinsame Abstammung von einem Dritten miteinander verbindet, sind in der Seitenlinie verwandt.

Demnach sind folgende Verwandte befangen:

in gerader Linie folgende Verwandte:
  a) in aufsteigender Linie: Vater/Mutter, Großvater/Großmutter usw.
  b) in absteigender Linie: Kinder, Enkelkinder usw.
  Die Nähe (der Grad) der Verwandtschaft spielt keine Rolle.
in der Seitenlinie die Verwandten des
  a) zweiten Grades: Bruder/Schwester; Schwager/Schwägerin
  b) dritten Grades: Onkel/Tante; Neffe/Nichte
  c) vierten Grades: Großonkel/Großtante; Cousin/Cousine;
      Großneffe/Großnichte

• in gerader Linie folgende Verwandte:
  a) in aufsteigender Linie: die Eltern, Großeltern usw. des anderen      Ehegatten;
  b) in absteigender Linie: Kinder, Enkelkinder usw. der Geschwister       des anderen Ehegatten (Schwiegerkinder, Schwiegerenkelkinder       usw.
• in der Seitenlinie die Verschwägerten zweiten Grades:
  Schwager/Schwägerin.

Wahlelternschaft (Annahme an Kindesstatt) entsteht durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung (Annahme an Kindesstatt) [§ 192 ABGB]


Pflegeeltern
sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. (§ 184 ABGB)

Mündel sind minderjährige Personen, die einen gesetzlichen oder gerichtlich bestellten Vormund haben.


Pflegebefohlene
sind unter Sachwalterschaft stehende Personen (§ 268 ABGB). Der Umfang der Vertretungsbefugnis des Sachwalters richtet sich nach dem Geschäftskreis, der dem Sachwalter übertragen worden ist. (S. das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006).

Befangenheit wird wohl vorliegen, wenn ein unmittelbar privates Interesse eines Mitgliedes des Gemeinderates oder der unter § 49 Abs. 1 Z 1 - 3 angeführten Personen im Hinblick auf einen Beratungsgegenstand gegeben ist, nicht aber schon dann, wenn ein Gemeinderatsmitglied an der Sache mittelbar betroffen sein kann (z.B. Beschluss über Abgaben, die auch er als Gemeindebürger zu entrichten hat).


Sonstige Befangenheitsgründe
Die Befangenheit ist darüberhinaus auch dann gegeben, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen. Es ist also im Einzelfall zu prüfen, ob irgend ein anderer Grund vorliegt, der Zweifel an der vollen Unbefangenheit erweckt ( z.B. bei einer Lebensgefährtin).

Die vorbereitende Funktion in einem Ausschuss bewirkt keine Befangenheit für die Stimmabgabe im Gemeinderat.